Meine Rede beim Bündnis Rettet Gaza

Hallo,

ich bin Lars Hofmann, ich komme von der Linken Konstanz und danke euch zunächst für die Gelegenheit, hier sprechen zu können. Es versteht sich nicht von selbst: die meisten politischen Parteien, meine eingeschlossen, haben sich hier nicht mit Ruhm bekleckert. Aber heute geht es nicht um uns.

Wie in Worte fassen, was sich kaum beschreiben lässt? Wie das begreifen, was fassungslos macht? Das Leid der Menschen vor Ort kam heute schon zu Wort, und muss es immer wieder. Die grenzenlose Zerstörung, die noch immer als Verteidigung gelabelt werden, die endlosen Vertreibungen, die Medien Evakuierungen nennen, die unzähligen Toten, die allesamt Hamaskämpfer oder Terrorismusunterstützer:innen gewesen sein sollen, der Hunger, den es nicht gibt, weil es ihn nicht geben darf. Ohnmächtig sehen wir diesen Verbrechen zu, auch weil sie gar nicht kaschiert werden und eifrig auf social media Kanälen geteilt werden.

Allein die Menge an Getöteten lässt sich nicht bemessen. Seit mindestens einem halben Jahr wächst ihre Zahl nicht mehr, auch wenn wir täglich von neuen Opfern hören: Von den vierzig Tausend Menschen wissen wir nun immerhin, dass es vor allem Kinder und Frauen waren, die im Hagel der Bomben und Kugeln oder in den Trümmern ihrer Häuser ihr Leben ließen, lassen mussten. Neben den ungezählten Toten und Vermissten gibt es noch die Versehrten, an Körper und Geist. Gaza hat mittlerweile den größten Prozentsatz an Menschen mit amputierten Gliedmaßen der Welt… Nur eine kleine Notiz, die aber so viel zeigt, wöllte man es sehen.

Und nein, wir, dieses Deutschland, stehen hier nicht unschuldig dabei: Nach den Amerikanern ist Deutschland der größte Waffenlieferant, der auch nach dem Haftbefehl nicht an seinem Kurs zu rütteln vermag. Wir töten mit, gerade in Baden-Württemberg und am Bodensee wir reichlich mit Waffen und Rüstung verdient. Jede Politik, die Anstand hätte, oder ein Mindestmaß an Rechtsempfinden, hätte die Lieferungen mittlerweile zumindest pausiert. Aber wir liefern weiter, weil wir die vermeintliche Existenzgefahr Israels vorschützen. Die Existenzgefährdung der palästinensischen Bevölkerung ist ungleich realer, und der Völkermord wird mit deutschen Waffen umgesetzt.

Völkermord? Amnesty International, Human Rights Watch, Oxfam und und und: Die Zahl an NGOs, die diesen Vorwurf mittlerweile lautstark erheben und in langen, detaillierten Berichten untermauern, ist lang. Es ist nicht so, dass dieser Vorwurf aus dem nichts kommt oder es sich hier jemand leicht gemacht hätte. Kurzum: Israel verteidigt sich nicht.

Und was hat Israels Militäreinsatz gebracht? Ist Israel nun ein sicheres Land, in dem Menschen besser leben können? Ist die Hamas besiegt? Sind die Geiseln befreit? Ist ein langfristiger Frieden greifbarer? Nein, nichts von alledem. Elend, Tod, Vertreibung und die fehlende Gerechtigkeit treiben Menschen in die Arme der Hamas. Und Waffen finden immer den Weg in die Hände, die sie gebrauchen wollen. Die Geiseln sind noch nicht befreit: Bislang fehlt der Regierung Israels jede Einsicht, dass in Verhandlungen vielmehr Geiseln gerettet werden konnten als in militärischen Befreiungsversuchen.

Nun gibt es immerhin eine Feuerpause. Ist nun alles in Ordnung? Nein, eine Pause reicht nicht. Und Israel verlagert seine militärische Aggression gerade einfach in das Westjordanland. Es geht einfach weiter. Dabei ist es ziemlich egal, ob hier nun die Hamas ist oder Geiseln vermutet werden. Die Gewalt hält an. Ohne nennenswerte Kritik westlicher Regierungen, einmal mehr. Israels rechte Regierung kann nicht vom Krieg lassen, ohne ihn würde sie zusammenbrechen. Das Ben Gvir genau an dem Tag aus der Regierung austrat, als nach Monaten wieder Geiseln freikamen, zeigt, wie wenig um Menschen geht.

Die letzten Monate haben deutlich gezeigt, wie die Bundesrepublik, ihre Parteien, ihre Medien und ihre Gesellschaft im Westen angekommen sind: Es ist die grenzenlose Heuchelei, die beständig nach zweierlei Maß bemisst. Noam Chomsky hat mal in seinem Buch die Unterscheidung würdiger und unwürdiger Opfer beschrieben. Es ging um die Herstellung breiter Zustimmung durch bestimmte Narrative, hergestellte Kontexte und abgerufene, wertende Kategorisierungen. Auf der einen Seite steht Butscha als Symbol der russischen Grausamkeit, auf der anderen Seite gehen die Exzesse der israelischen Armee im Nebel unklarer Quellenlagen unter. Wer weiß schon wirklich, ob es das Mehl-Massaker gab, ob sich nicht doch riesige Kommandozellen unter allen Krankenhäusern und Universitäten befinden, oder ob Hind nicht doch einfach eine Terroristin war? Die Entwertung des Leids und die Entmenschlichung palästinensischer Opfer sind allgegenwärtig.

Der israelischen Militäraktionen in Rafah wollte sich unsere Außenministerin erst dann entgegenstellen, wenn es sich zu einem „großangelegten“ Einsatz auswachsen sollte. Die jüngsten  Bilder aus Rafah zeigen eine zerstörte Stadt aus Ruinen. Konsequenzen? Keine! Die Außenministerin meinte mal, sie komme vom Völkerrecht. Meine Hoffnung ist, dass das Völkerrecht nun zu ihr kommt. Zu ihr und all den anderen. Den anhaltenden Mahlstrom der Waffenlieferungen hatte ich schon erwähnt. Die immer noch anhaltende Prüfung der Bundesregierung, ob ein internationaler Haftbefehl durchgesetzt werden sollte, hält noch immer an. Diese Heuchelei muss endlich enden!

Wir fordern:

Ein Ende der Waffenlieferungen,

humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza,

die Freilassung aller Geiseln,

die Durchsetzung der Haftbefehle, und

die Durchsetzung des internationalen Rechts.