Von der Pflicht zur internationalen Solidarität

Die Bundesregierung wie auch unsere Landesregierung ist offenkundig dabei, dass Asylrecht bis auf die Grundmauern zu schleifen. Unterstützt durch eine unsägliche mediale Begleitung, werden auf den verschiedenen Ebenen, von der Europäischen Union bis hinein in die Kommunen, Maßnahmen ergriffen, die das Asylrecht aushöhlen. Wie in den neunziger Jahren geben Politik und Publizistik rechten Narrativen breiten Raum, um daraus einen demokratischen Konsens über die Härte eines neuen Asylkompromisses abzuleiten. Mittlerweile ist kaum mehr abzuschätzen, von welcher Partei die „Das Boot ist voll“-Rhetorik stammt. Wurde es vor ein paar Jahren noch als Problem wahrgenommen, ist nunmehr die „Verteidigung“ der Grenzen mit Waffen eine Forderung der sogenannten Mitte.

Ist es nun so einfach, die Bevölkerung als Ursache auszumachen, deren tiefverwurzelte Xenophobie sich nun wieder an die Oberfläche frisst? Ja und nein: Einerseits blieb der deutschen Mehrheitsgesellschaft das Konzept der offenen Gesellschaft, der Pluralität der Kulturen - bis auf kulinarische Ausnahmen in separaten Etablissements - lange suspekt. Andererseits treffen die anhaltenden Krisen unserer Gegenwart, die Kriege, Vertreibungen und inhumanen Regime, auf viele, die durch die Pandemie und die sozial-ökonomischen Folgen der Inflation ausgezehrt sind. Die beständige Wiederholung, die Kommunen könnten den Zustrom nicht mehr verarbeiten, wird nicht um Forderungen verlängert, was die Kommunen brauchen, um es zu schaffen. Die einzige Antwort ist die Abschottung, auch auf Kosten der Menschlichkeit.

Wir waren uns mal sicher, dass es Sinn macht, weder die flüchtenden Menschen zu kriminalisieren noch soziale Abwehrkämpfe auf ihrem Rücken auszutragen. Zudem führten Projekte kurzen Nachsinnens dazu, dass sich Flucht nur durch stabile, lebenswerte Situationen in den Herkunftsländern vermeiden ließen. Nun jedoch scheint sich die deutsche Außenwirtschaftspolitik auf die Kooperation mit Vorzeigedemokratien Libyen und Ägypten zu fokussieren, deren Ziel wiederum ist, Menschen mit allen Mitteln an der Flucht zu hindern. Das Menschen sterben ist weder ein Zufall noch eine unabsehbare Folge dieser Politik der Abschottung, sondern nur eines seiner Mittel. Alan Kurdi ist das Symbol dieser Härte, ein Beispiel der inhumanen Folgen. In einem Denken, das schon in der Flucht das Verbrechen sieht, hat Unschuld keinen Platz.

Viele Bürger:innen haben sich bei der letzten Wahl aus prinzipiellen Gründen gegen die Linke entschieden, tat sich doch eine prominente Figur mit kritischen bis problematischen Thesen hervor. Zugleich sprachen sie ihr Vertrauen den Grünen und der Sozialdemokratie aus, die offene, emanzipative Politik auch im Asylrecht in Aussicht stellten. Den jetzigen Kurs dieser Parteien vor Augen, könnte sich der eine und die andere vielleicht fragen, ob die Abwägung die richtige war. Ein Kanzler, der rigoros abschieben will, und eine grüne Partei, die alles zum Preis von Bauchschmerzen mitmacht - bis hin zu Asylverfahren am Rande Europas. Gerade weil wir aus juristischen Gründen kaum mehr Menschen abschieben können, aus wir zerstören das Asylrecht komplett, und die Regierung hier einfach Populismen der rechtskonservativen und -extremen Opposition wiederholt, werden die Bürger:innen enttäuscht werden, zumal Politik und Medien keine andere Lösung präsentieren.

Die einzige Stimme für das konsequente Recht auf Asyl ist nunmehr die Linke, im Parlament und zusammen mit NGOs auf den Straßen dieser Republik. Es ist am Ende keine allzu komplexe gedankliche Herleitung nötig, dass Menschen zu uns kommen, die wir einfach brauchen. Wir sollten sie auch aufnehmen, wenn wir sie nicht bräuchten: Dies ist eine Lehre aus dem letzten Jahrhundert. Aber wenn die Menschen bei uns sind, können wir ihnen helfen, anzukommen, sich ein Leben aufzubauen und Teil dieses Landes zu werden. Hierfür braucht es starke Strukturen in Verwaltung und Zivilgesellschaft, die verlässlich und gut finanziert helfen, einen Weg zu finden. Zu uns fliehen keine Fachkräfte, sondern Menschen, deren Biographien von Verlusten, Gewalt und Traumata geprägt sind. Ihnen einen Schutzraum zu bieten, ist keine Last, sondern unsere solidarische Pflicht als Menschen.