Ein Schrecken ohne Ende: Die LINKE Konstanz kritisiert die Aufrüstungspolitik
„Die eigentliche Tragik besteht darin, dass sich beide Seiten im Recht sehen: Die eine Seite sieht sich von der anderen bedroht und behauptet, die eigenen Waffen dienen einzig der Verteidigung und dem Ausgleich der Gefährdung.
Die andere Seite glaubt diesen Worten nicht und ergreift selbst neue Maßnahmen zur Erhöhung des eigenen Bedrohungspotentials.“ Die Logik dieses Teufelskreises der Aufrüstung hätten wir eigentlich im Zuge des Endes des Kalten Krieges für überwunden geglaubt, so Lars Hofmann, Mitglied der LINKEN Konstanz. „Dass eine Eskalationsspirale gegenseitiger Vernichtungsdrohungen keiner Seite ein Mehr an Sicherheit bieten, hatten doch alle mal kapiert.“ In der Zeitenwende scheint wohl aber dieser zivilisatorische Fortschritt abhanden zu kommen.
Die Stationierung von weitreichenden Marschflugkörpern und Hyperschallwaffen der US-Amerikaner in Deutschland ploppte während des Sommerlochs auf, als der Bundeskanzler diese eigentlich bereits beschlossenen Pläne en passant während eines NATO-Gipfels im Alleingang verkündete. Einerseits irritierte die Idee der Abschreckung als alleiniges Mittel bundesdeutscher Russlandpolitik. Natürlich muss die Politik aus dem Angriffskrieg Konsequenzen ziehen, aber: Im Kalten Krieg haben es offenkundig tief verfeindete Konfliktparteien hinbekommen, langfristige Rüstungskontrollmechanismen in einem gewissen Rahmen umzusetzen und einzuhalten. Und ja, genau an diesem Punkt muss Deutschland, muss die Europäische Union mit Russland in Kontakt treten: Auch wenn es komfortabler ist, mit Freunden zu reden, scheint es ratsam, sich in manchen Fragen auch mit Feinden abzustimmen. Und Rüstungskontrolle liegt der Sache nach im Interesse aller Seiten – natürlich bis auf die Militärindustrie.
Rüstungskontrolle hat nach dem Zusammenbruch der UdSSR immer weniger Rückhalt, den letzten Todesstoß gab dann Donald Trump, der allerdings auch konsequenterweise gleichzeitig das Militärbündnis der NATO torpedierte. Gerade vor dem nicht unwahrscheinlichen Szenario, Trump würde eine zweite Amtszeit beschert, scheint US-amerikanisches Militärarsenal hier vor Ort eher als Multiplikator der Verunsicherung.
„Die Diplomatie und die Prävention von Krisen im Rahmen gemeinsamer Abkommen sind anscheinend aus der Zeit gefallen. Wir als Linke fordern, dass sich die Bundesrepublik in ihrer Außenpolitik endlich wieder darum bemüht, internationale Strukturen und Rechtsordnungen zu stärken und den Weg für Rüstungskontrollabkommen zu bereiten!“ Laut Sibylle Röth, Kreisrätin der LINKEN, wird die langfristige Sicherheit wird eben durch Abschreckung geschaffen. Eher werde die Verängstigung noch vergrößert, wird Bewaffnung doch nie vollständige Sicherheit schaffen. „Wenn jemand neben einer geladenen Pistole schläft, ist sein Abschreckungspotential vermutlich hoch, aber gewiss würden wir diese Situation nicht als sicher wahrnehmen, oder?“ Sicherheitsstrukturen wie eine Rechtsordnung und eine Polizei aber auch ein funktionierendes Sozialsystem, das keinen Menschen hungern lässt oder ohne Obdach, dies wären nach Sibylle Röth verlässlichere Garanten für ein sicheres Leben und einen angenehmen Schlaf.
„Herr Scholz ist nicht der König von Deutschland. Auch wenn er noch so sehr an die Zeitenwende glaubt, eine massive Umgestaltung der bundesdeutschen Außen- und Sicherheitspolitik bedarf einer parlamentarischen und einer gesellschaftlichen Diskussion und Legitimation“, so Lars Hofmann zum zweiten irritierenden Moment. Es ist eben keineswegs so, dass ein breiter übergreifender Konsens zum Thema der Aufrüstung bestünde, gerade in Ostdeutschland sähen die Bürger:innen diese Initiativen skeptisch.[1] Somit ersetzt eine Debatte im Präsidium der SPD keineswegs demokratische Prozesse der Willensbildung. Die Regierung hat bei dieser so entscheidenden Frage offensichtlich ihren politischen Kompass verloren.
Die Außenministerin findet in der Abschreckung die letzte Garantie für Frieden, viele Bürger:innen sehen dies anscheinend anders: gerade in Ostdeutschland ist ein Hauptkritikpunkt die Angst, durch die Stationierung steige die Gefahr, Ziel eines Angriffs zu werden. Der Frieden Frau Bärbocks geht demnach mit einer existentiellen Bedrohung einher. In der kurzen medialen Debatte wurde Rolf Mützenich von der SPD nur deswegen zum enfant terrible, weil er auf die Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation hinwies.[2] Letztlich ist der entscheidende Punkt, dass Abrüstung und internationale Kontrollverträge keine Instrumente der bundesdeutschen Außenpolitik mehr sind. Aber ohne die Diplomatie bleibt nur die Hoffnung, Waffen könnten dazu beitragen, nicht eingesetzt zu werden.
Die Debatte wurde durch die Fussball-EM und die olympischen Spiele schon in ihrem Aufkommen begraben. Aber auch wenn sich in diesem Deutschland kaum lautstarker Widerstand gegen die Aufrüstung regt, so ist doch die Bevölkerung keineswegs mehrheitlich von dieser Politik der Zukunftskoalition überzeugt.[3] Diesen skeptischen Stimmen gibt die Linke im Bundestag Raum: „Wir haben 20 Jahre lag ohne diese Raketen leben können. Die waren Ergebnis ja auch von Abrüstungsverträgen. Ich habe das immer begrüßt und die sind ja zu Zeiten zustande gekommen, als es noch Blockkonfrontation gab. Jetzt diese Tomahawks zu stationieren, fördert nicht die Sicherheit, sondern wird zu einem Wettrüsten (…) führen“, so Dietmar Bartsch, verteidigungspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag.[4] Eine lebenswerte Zukunft verlangt eine Rückbesinnung auf die Maxime, dass Waffen keinen Frieden schaffen.
[1]www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/mdrfragt-umfrage-ergebnisse-waffen-raketen-stationieren-nato-100.html
[2]www.tagesschau.de/inland/baerbock-raketen-stationierung-100.html
[3]www.welt.de/politik/deutschland/article252917192/Umfrage-Stationierung-von-US-Raketen-in-Deutschland-schuert-Furcht-vor-Eskalation-mit-Russland.html
[4]www.dielinkebt.de/themen/nachrichten/detail/raketenstationierung-verlaengert-den-krieg/
Von Henri-Georges Chartier - [1], Gemeinfrei, commons.wikimedia.org/w/index.php