Die unmenschlichen Bürgergeldpläne der Regierung

Während die Bundesrepublik in Schockstarre über die Wahlerfolge der AfD verharrt, scheint der Regierung nicht daran gelegen, etwas dagegen in die Waagschale zu werfen – im Gegenteil: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BAMS) bläst ohne kritisches Medienecho zum Großangriff gegen Erwerbslose und peitscht drastische Einschnitte beim Bürgergeld durch.

Die Bundesrepublik in fünf Akten: Die Bundesregierung hackt mal wieder auf Arbeitslosen herum – und niemanden scheint es zu jucken.

Vorgeschichte:
Mal wieder was Soziales machen

‚Soziale Themen müssen endlich wieder auf die Tagesordnung‘, dachte sich Die Linke im Landkreis Konstanz. So fand sich ein Teil ihrer Mitglieder in einem Arbeitskreis Wohnen und Soziales zusammen und ist gerade dabei ein Mietnottelefon ins Leben zu rufen, um Menschen mit geringem Einkommen gegen Mieterhöhungen, Jobcenter-Gängelei und Räumungsklagen zur Seite zu stehen.

Dabei stellte sich natürlich recht schnell die Frage: „Wo anfangen?“ Und so wurde gebrainstormt, was das Zeug hielt und nebst der Klärung rechtlicher Fragen („Wer darf überhaupt Sozialberatung machen?“) eine Link- und Literatursammlung zusammengestellt, die dabei unterstützen soll, sich dem umfangreichen Themenkomplex zu nähern.

Das Bundesarbeitsministerium und ein grausiger Umgang mit Sozialverbänden

Eine Website, die dabei unweigerlich ins Auge fällt, ist https://tacheles-sozialhilfe.de, die hauptsächlich vom Harald Thomé betrieben wird. In der Regel werden hier wöchentlich sonntags Neuigkeiten zum Bürgergeld veröffentlicht, d. h. Rechtsprechungen zum Bürgergeld, aber auch politische Entwicklungen. Statt sich das Wort zum Sonntag in handelsüblichen Konfessionsvertretungshäusern zu Gemüte zu führen, gibt man sich in der Linken Konstanz eben die Blogeinträge des Wuppertaler Juristen Thomé – und fällt dabei manchmal unweigerlich vom Glauben ab.

Abweichend vom üblichen Sonntags-Turnus fiel der Eintrag am Freitag, den 27. September 2024, ins Auge: Darin heißt es, dass die Sozialverbände vom BAMS einen Referentenentwurf des „Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung“ vorgelegt bekamen mit Bitte um Stellungnahme bis zum darauffolgenden Montag.

Schlussendlich hatten sich der Verein Tacheles der Paritätische Gesamtverband, die Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit und die Bundesverbraucherhilfe unisono dazu entschlossen, die Stellungnahme zum Referentenentwurf des von Hubertus Heil (SPD) geführten Ministeriums zu boykottieren. Zur Begründung heißt es bei Tacheles:

„Bei den angefragten Stellungnahmen handelt es sich um eine Stellungnahme nach § 47 (1) GGO (Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien). Diese GGO bestimmt, dass der Entwurf einer Gesetzesvorlage den Beteiligten möglichst frühzeitig zuzuleiten ist. Dieser Grundsatz wurde mit dieser Frist eindeutig missachtet.“[1]

Den Fingerzeig der Sozialverbände ignorierend, beschloss das Bundeskabinett die Verschärfungen sogleich Anfang Oktober, ohne eine erneute Stellungnahme mit hinreichender Äußerungsfrist anzufragen.[2]

Wo bleibt der bitternötige Aufschrei?

Näher enthält der Referentenentwurf dann auch noch Gedankenspiele, die den Eindruck entstehen lassen, als habe ein Friedrich Merz (CDU) in sozialchauvinistischer Bestform daran mitgewirkt. Tacheles schreibt hierzu:

„Jetzt kommen schärfere Zumutbarkeitsregeln, Verkürzung der Vermögenskarenz auf 6 Monate, immer 30 % Sanktionen auch bei Meldeversäumnissen, Schwarzarbeit als Pflichtverletzung, Einführung eines verpflichtenden Integrationspraktikums, bis hin zur Verpflichtung der Jobcenter, Schwarzarbeits-Verdachtsfälle an die Zollverwaltung zu melden.“

Bis das Kabinett der Regierung den Referentenentwurf beschloss, fanden sich keinerlei Artikel dazu in der Presse. Und auch jetzt deuten Suchmaschinenergebnisse auf ein eher geringeres Interesse durch Öffentlich-Rechtliche und führende Privatmedien hin.

Man beginnt sich zu fragen: „Warum zur Hölle juckt das niemanden?“ Erwerbsbiografien sind heutzutage dermaßen vielschichtig, dass eine Reihe von Menschen von längerer Arbeitslosigkeit betroffen ist. Die Wahrscheinlichkeit durch Krankheit oder einen Unfall auf Grundsicherung angewiesen zu sein, ist um ein Vielfaches höher, als als Millionär zu enden.

Die Maßnahmen treffen vielfach Leute mit psychischen Krankheiten oder Menschen, die im Alter aufstocken, weil die Rente nicht reicht. Das Märchen vom „arbeitsunwilligen Hartz-IV-Bezieher“ wurde in Untersuchungen vielfach widerlegt – und dennoch der Sozialstaat seit 1990 kontinuierlich abgebaut. Mehr noch: Die Vorhaben, die da gerade durchgepeitscht werden, überbieten die Menschenverachtung, mit der Erwerbslose und Aufstocker:innen weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, um ein Vielfaches.

Vom Aufstand der Anständigen:
Ampel von links angreifen!

Was nützen der Bevölkerung SPD und Grüne in Regierungsverantwortung, wenn von deren Seite keinerlei Bereitschaft besteht, die Verfehlungen der Schröder-Fischer-Jahre, in denen der Sozialstaat massiv rasiert wurde, zu korrigieren? Schlimmer noch: Man gibt den feuchten Träumen der FDP, eine Politik ausschließlich für wenige Reiche zu betreiben, unentwegt statt und kopiert munter ihr Parteiprogram. Eine Bankrotterklärung.

All dies zeigt, dass eine starke Linke notwendiger denn je ist! Denn SPD und Grüne verweigern sich offen einer nachhaltigen Sozialpolitik (übrigens nicht nur im Bereich Bürgergeld) und wundern sich anschließend, dass faschistoide Demagog:innen von AfD und Co. leichtes Spiel haben. Dabei haben diese an gesellschaftlich und sozial stabilen Verhältnissen allerdings keinerlei Interesse, sondern machen sich einerseits die Spaltung zunutze, tragen andererseits den verächtlichen Kurs gegenüber Erwerbslosen und Geringverdiener:innen mit.

Es war im Bundestag bis zur Fraktionsspaltung ausschließlich die Linksfraktion, die kontinuierlich kleine Anfragen gestellt hat, um derlei Missstände aufzudecken. Es ist auch weiterhin im Bundestag ausschließlich die Gruppe der Linken, die durchweg soziale Anfragen stellt und peinlichst genau darauf achtet, dass Menschengruppen nicht gegeneinander ausgespielt werden – eine humanistische Grundhaltung, die man beim BSW, welches im politischen Alltag Menschenhass ebenfalls teils recht munter bedient, vergebens sucht.

Was als Handlungsoption übrigbleibt, ist ein Aufstand der Anständigen! Menschen müssen in den Mittelpunkt. Wie eingangs angedeutet: Es ist einerseits höchste Eisenbahn, eine faschistische Partei wie die AfD in die Schranken zu weisen. Andererseits nimmt man ihr niemals den Wind aus den Segeln, wenn aus der eigenen Politik keine Chancen für die Menschen auf ein besseres Leben erwachsen.

Daher muss es gelten, sich zuallererst gegen die Verschiebung der sozialen Schieflagen einzusetzen, sich nachhaltig gegen Sozialabbau zu positionieren und mit aller Kraft dagegen vorzugehen. Als Linke Konstanz rufen wir die Bevölkerung, Sozialverbände, kritische Jurist:innen sowie politische Mandatsträger:innen entschieden dazu auf!

 

Quellen

[1] https://tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/archiv/bmas-legt-referentenentwurf-zur-massiven-verschaerfung-des-sgb-ii-vor-gesetzes-zur-modernisierung-der-arbeitslosenversicherung-und-arbeitsfoerderungdummy-fuer-aktuelle-artikel-kopie.html

[2] https://www.tagesschau.de/inland/buergergeld-sanktionen-kabinett-100.html